Gerade hier ist es mit der Information des
Endverbrauchers im Argen.
Es gibt Anbieter, die das Material, aus dem der Spiegelträger besteht,
werbetechnisch in den Vordergrund spielen und sogar über das Material
Rückschlüsse auf die Qualität des Spiegels schließen wollen. Das ist
natürlich falsch. Auf der anderen Seite gibt es Lieferanten, die überhaupt
keine Angabe über den Spiegelträger machen können.
Eine Prioritätenliste, die den Glasträger auf den Platz
verweist, der ihm zusteht:
Der Glasträger ist ein Teil des kompletten Gerätes und
sicherlich nicht der wichtigste. An anderer Stelle haben wir versucht, das
Newton Gerät als Ganzes zu beschreiben. Bevor Sie hier weiterlesen, laden
wir Sie herzlich ein, sich diesen Artikel zu Gemüte zu führen. -
Link zum Artikel Hier erhalten Sie eine Information, eine
Checkliste, mit der Sie die Qualität eines Newton Teleskopes als Ganzes
beurteilen können.
Nachfolgend wollen wir uns ausschließlich mit der Optik
selbst, also mit dem Hauptspiegel beschäftigen. Wir werden die
Eigenschaften nach der Wichtigkeit abhandeln.
Priorität 1 - Die Genauigkeit des Spiegels
Die Oberfläche des Glasträgers, auf der dann der Spiegel aufgedampft
wird, sollte so genau, wie möglich sein. Diese Fläche ist mit entscheidend
für die Abbildungsqualität des gesamten Systems. Wenn man über optische
Fehler, wie Astigmatismus liest oder auch über RMS, Strehl, PV-Werte, dann
ist immer die Qualität dieser Oberfläche gemeint. Diese Werte haben nichts
mit dem Träger selbst zu tun. Das Material des Trägers hat keinen Einfluß
auf die Qualität des Spiegels.
Priorität 2 - Die Homogenität des Glasträgers
Eine Eigenschaft des Glasträgers ist wichtig - die Homogenität.
Einfachste Spiegelträger, z.B. von Billigherstellern aus den USA, werden
aus zusammengeschmolzenem Flaschenglas hergestellt. Diese Glasträger
können, durch innere Spannungen, ihre Form verändern und machen somit die
genaue Oberflächenpolitur, auf die der Spiegel aufgedampft wird, zunichte.
Selbst einfaches Float Glas, welches von chinesischen Herstellern
verwendet wird, erfüllt die Eigenschaft der Homogenität. Der Glasträger
muß nur aus einem einheitlichen Material ohne innere Spannungen sein.
Jeder seriöse Spiegelhersteller arbeitet ausschließlich mit diesen
Materialien. Wir haben ausschließlich Spiegel mit homogenen Glasträgern im
Programm. Priorität 3 - Die Reflektivität des
Spiegels
Kein Spiegel kann 100% des einfallenden Lichtes reflektieren. Es gibt
verschiedene Verspiegelungen mit unterschiedlichen Reflektionsgraden.
Standard ist etwa 90% Reflektion. Forcierte Verspiegelungen, wie HILUX von
Orion-England, können etwa 96% des einfallenden Lichtes reflektieren.
Priorität 4 - Der Ausdehnungsfaktor des Spiegels
Diese untergeordnete Eigenschaft wird oft ungerechtfertigt zu einer
dominanten Eigenschaft hochgespielt. Wenn man von verschiedenen Spiegel
spricht, meint man meist den Glasträger. Populäre Trägermaterialien sind:
Float Glas ( wird gerne von chinesischen Spiegelherstellern verwendet )
BK-7 ( kommt aus der Optikherstellung und wird sehr häufig verwendet -
gute Eigenschaften und besonders günstig )
Pyrex ( sehr verbreitet in Amateurkreisen, wird von vielen
Teleskopherstellern aus den USA aber auch aus China verwendet )
Suprax ( ein Spiegelmaterial von Schott - weitestgehend mit Pyrex
vergleichbar - wird aber von Schott produziert )
Zerodur / Sital / Low Expansion ( Glaskeramikmaterial mit sehr günstigen
Eigenschaften )
Diese Materialien unterscheiden sich primär in einer Eigenschaft, im
Ausdehnungsverhalten bei Temperaturänderung. Float Glas dehnt sich z.B.
relativ stark aus , bei Erwärmung , während Zerodur praktisch keinen
erkennbaren Ausdehnungsfaktor hat. Dieses Verhalten übt einen Einfluß auf
das Verhalten des Spiegels aus, wenn er einem Temperaturwechsel ausgesetzt
wird.
Die Legenden, die sich um diese
Eigenschaften ranken:
- Spiegel mit
einfacheren Spiegelmaterialien haben eine schlechtere Optik!
Das ist Unsinn, denn der
Träger selbst hat keinen Einfluß auf die reflektierende Fläche, die
einzige Voraussetzung ist, daß der Träger selbst homogen ist und keine
Verspannungen hat. Während der Auskühlphase kann aber die Abbildung
geringfügig schlechter sein, auf den Grund kommen wir gleich zu sprechen.
-
Spiegel mit günstigeren Ausdehnungswerten sind wesentlich schneller
einsatzbereit, Spiegel mit Ausdehnungswert = Null sogar sofort!
Diese Werbeaussage ist,
tolerant betrachtet, zumindest unvollständig. Jeder Spiegel ist sofort
einsatzbereit aber eben nicht gleich für hohe Vergrößerungen. Selbst ein
Spiegel mit Keramikmaterial, ohne Ausdehnung, ist nicht sofort
einsatzbereit. Der Grund ist einfach:
Wenn ein Spiegel abkühlt, gibt er Wärme ab. Dieser Effekt ist zu Beginn
des Auskühlprozesses wesentlich dominanter, als die Effekte durch den
Ausdehnungswert selbst. Dieser Effekt sorgt für das Tubus - Seeing, ein
Flimmern des Objektes durch Luftbewegung und auch durch Verzerrungen des
Objektes durch Luftschichten mit unterschiedlicher Temperatur. Von diesem
Effekt sind alle Spiegel betroffen. Man kann durch aktive Belüftung der
Spiegelvorderseite und auch der Rückwand des Glasträgers dagegen
ankämpfen.
Jeder Spiegel ist sofort einsatzbereit aber eben nur für
niedrige Vergrößerungen. Erst mit fortschreitender Temperaturanpassung des
ganzen Teleskopes kann auch die Vergrößerung erhöht werden.
- Ein Spiegel muß
erst vollkommen der Temperatur angepasst sein, um damit beobachten zu
können!
Auch diese Aussage ist eher ins
Reich der Legenden zu geben. Nur der maximal mögiche Vergrößerungsbereich
bleibt einem verschlossen, wenn der Spiegel noch nicht richtig ausgekühlt
ist. Dieser Vergrößerungsbereich ist aber ohnehin nur an wenigen Nächten
im Jahr zugänglich.
- Ein Spiegel mit weniger
Ausdehnungswert (z.B. Pyrex) ist schneller ausgekühlt, als ein Spiegel mit
höherer Ausdehnung (z.B. BK-7)
Diese platte Aussage ist falsch und das Ergebnis unvollständiger
Information. Die Geschwindigkeit der Auskühlung ist durchaus bei den
Spiegelträgern ähnlich. Wie schnell ein Spiegel einsatzbereit ist, hängt
primär von folgenden Bedingungen ab:
- Wie dick ist der Spiegel - ein dicker Pyrex Spiegel wird länger
brauchen, um eine optimale Abbildung zu bringen, wie ein dünner BK-7, weil
der dicke Spiegel einfach länger die Wärme speichert und damit auch mehr
Zeit braucht, um diese abzugeben.
- Wie gut ist der
Spiegel belüftet - Je besser der Spiegel von Luft umströmt wird, desto
schneller ist er auch ausgekühlt. Aktive Belüftung mit Ventilatoren hilft
dabei erheblich.
Hart gesagt: Unter
Extrembedingungen wird ein dünner, gut gelagerter und aktiv belüfteter
Spiegel mit einem Träger aus Float Glas schneller eine brauchbare
Abbildung liefern, als ein abgeschlossener dicker Pyrex Spiegel gleicher
Öffnung. Das ist natürlich ein Extremvergleich, er soll aber
verdeutlichen, wie wichtig die Spiegellagerung ist, daß sie oft wichtiger
ist, als das Trägermaterial des Spiegels selbst.
Wie wirkt sich
eigentlich der Ausdehnungswert auf die Abbildung aus?
Viele Anbieter erheben den
Ausdehnungswert des Spiegelträgers und damit das Spiegelmaterial zu einer
zentralen Produktaussage, lassen aber den Sternfreund im Unklaren, was
eigentlich dieser Ausdehnungswert in der Praxis bewirkt. Das führt zu
einer sogenannten Volksweisheit, die aber oft ohne Hintergrundwissen
verbreitet wird. Das Motto: "Es ist so und damit basta!"
Nun, der
Hintergrund ist einfach:
Der Spiegel ist unterschiedlich dick. Durch die Wölbung ist er am Rand
dicker und in der Mitte dünner. Wenn ein Spiegel im Auskühlungsprozess
ist, dann kühlen die einzelnen Partien mit unterschiedlicher
Geschwindigkeit aus. Die dickeren Randregionen sind wärmer als die
schneller ausgekühlten zentralen Regionen.
Der Effekt ist, daß
die Kurve des Spiegels nicht mehr absolut korrekt ist. Die Lichtstrahlen
vom Spiegelrand treffen sich in einer anderen Schärfeebene, wie die
Strahlen des zentralen Bereiches. Diesen Effekt nennt man Sphärische
Aberation.
Effekt in der Praxis
In der Praxis wird etwas
mehr Licht in die Beugungsringe gebracht, die Auflösung und die
Schärfeleistung des Spiegels wird ein wenig gedrückt. Das macht sich bei
der sogenannten "Deep Sky Beobachtung" also der Beobachtung von Nebeln und
Galaxien nicht bemerkbar. Bei Mond und Planeten sinkt die Schärfeleistung
etwas ab.
Allerdings wird
dieser Effekt am Anfang eindeutig durch andere thermische Effekte, wie dem
Tubus Seeing, der Wärmeabgabe des Spiegels selbst, übertroffen. Erst wenn
sich die Luft im Tubusinneren beruhigt hat, kommt der Ausdehnungswert zum
Tragen aber dann ist auch dieser Wert schon so gering, daß man das Gerät
durchaus im höheren Vergrößerungsbereich ausreizen kann.
Resumee:
Der Spiegelträger ist eine von
vielen Eigenschaften des Hauptspiegels, der selbst nur ein Teil des
Gesamtsystems ist. Das Material des Spiegelträgers hat vor allem eines zu
sein, homogen.
Die thermischen Eigenschaften sind sicherlich erwähnenswert aber es ist
grundfalsch, diese zum zentralen Bereich der Beschreibung eines
Gesamtinstrumentes zu machen. Es wäre vergleichbar, als wenn man bei einem
Auto die Dicke des Blechs an einer bestimmten Stelle zu einer zentralen
Eigenschaft macht und daran versucht, die Qualität des gesamten Autos
festzumachen.
Die Auswirkung in
der Praxis wird vor allem zu Beginn der Auskühlung von anderen Effekten,
die durch die Wärmeabgabe des Spiegels als Ganzes bedingt sind, deutlich
übertroffen. Erst gegen Ende der Abkühlphase kommen die Effekte der
Wärmeausdehnung des Spiegelträgers zum Tragen und diese betreffen nur den
maximalen Vergrößerungsbereich.
Der Zeitraum der
Auskühlung selbst ist vom Spiegelträger relativ unabhängig. Viel mehr, als
der Spiegelträger selbst, beeinflusst die Belüftung des Spiegels den
Zeitraum der Auskühlung und damit die Zeit, wie schnell ein Spiegel
einsatzbereit ist.
Und nur darum geht
es bei der ganzen Diskussion um den Spiegelträger - Um die Zeit, wie
schnell ein Spiegel genutzt werden kann und nicht um die Qualität des
Spiegel selbst.
Wolfi Ransburg
Teleskop-Service |