TS Astro Praxis

Der Träger des Newton - Spiegels und seine Bedeutung


 

Einleitung:

Sehr oft werden wir von Sternfreunden mit der Frage konfrontiert, ob der Newton einen BK-7 , Pyrex ..... Spiegel hat. Gemeint ist damit immer der Glasträger, auf dem der eigentliche Spiegel aufgedampft ist. Das Glasmaterial hat eigentlich nur eine Aufgabe, die Basis für den eigentlichen Spiegel zu bieten. Die eigentliche reflektierende Fläche ist sehr dünn. Das Licht dringt also nicht in das Glas selbst vor.

Welche Bedeutung hat nun eigentlich der Glasträger

Gerade hier ist es mit der Information des Endverbrauchers im Argen.

Es gibt Anbieter, die das Material, aus dem der Spiegelträger besteht, werbetechnisch in den Vordergrund spielen und sogar über das Material Rückschlüsse auf die Qualität des Spiegels schließen wollen. Das ist natürlich falsch. Auf der anderen Seite gibt es Lieferanten, die überhaupt keine Angabe über den Spiegelträger machen können.

Eine Prioritätenliste, die den Glasträger auf den Platz verweist, der ihm zusteht:

Der Glasträger ist ein Teil des kompletten Gerätes und sicherlich nicht der wichtigste. An anderer Stelle haben wir versucht, das Newton Gerät als Ganzes zu beschreiben. Bevor Sie hier weiterlesen, laden wir Sie herzlich ein, sich diesen Artikel zu Gemüte zu führen. - Link zum Artikel Hier erhalten Sie eine Information, eine Checkliste, mit der Sie die Qualität eines Newton Teleskopes als Ganzes beurteilen können.

Nachfolgend wollen wir uns ausschließlich mit der Optik selbst, also mit dem Hauptspiegel beschäftigen. Wir werden die Eigenschaften nach der Wichtigkeit abhandeln.

Priorität 1 - Die Genauigkeit des Spiegels
Die Oberfläche des Glasträgers, auf der dann der Spiegel aufgedampft wird, sollte so genau, wie möglich sein. Diese Fläche ist mit entscheidend für die Abbildungsqualität des gesamten Systems. Wenn man über optische Fehler, wie Astigmatismus liest oder auch über RMS, Strehl, PV-Werte, dann ist immer die Qualität dieser Oberfläche gemeint. Diese Werte haben nichts mit dem Träger selbst zu tun. Das Material des Trägers hat keinen Einfluß auf die Qualität des Spiegels.

Priorität 2 - Die Homogenität des Glasträgers
Eine Eigenschaft des Glasträgers ist wichtig - die Homogenität. Einfachste Spiegelträger, z.B. von Billigherstellern aus den USA, werden aus zusammengeschmolzenem Flaschenglas hergestellt. Diese Glasträger können, durch innere Spannungen, ihre Form verändern und machen somit die genaue Oberflächenpolitur, auf die der Spiegel aufgedampft wird, zunichte. Selbst einfaches Float Glas, welches von chinesischen Herstellern verwendet wird, erfüllt die Eigenschaft der Homogenität. Der Glasträger muß nur aus einem einheitlichen Material ohne innere Spannungen sein. Jeder seriöse Spiegelhersteller arbeitet ausschließlich mit diesen Materialien. Wir haben ausschließlich Spiegel mit homogenen Glasträgern im Programm.

Priorität 3 - Die Reflektivität des Spiegels
Kein Spiegel kann 100% des einfallenden Lichtes reflektieren. Es gibt verschiedene Verspiegelungen mit unterschiedlichen Reflektionsgraden. Standard ist etwa 90% Reflektion. Forcierte Verspiegelungen, wie HILUX von Orion-England, können etwa 96% des einfallenden Lichtes reflektieren.

Priorität 4 - Der Ausdehnungsfaktor des Spiegels
Diese untergeordnete Eigenschaft wird oft ungerechtfertigt zu einer dominanten Eigenschaft hochgespielt. Wenn man von verschiedenen Spiegel spricht, meint man meist den Glasträger. Populäre Trägermaterialien sind:

Float Glas ( wird gerne von chinesischen Spiegelherstellern verwendet )
BK-7 ( kommt aus der Optikherstellung und wird sehr häufig verwendet - gute Eigenschaften und besonders günstig )
Pyrex ( sehr verbreitet in Amateurkreisen, wird von vielen Teleskopherstellern aus den USA aber auch aus China verwendet )
Suprax ( ein Spiegelmaterial von Schott - weitestgehend mit Pyrex vergleichbar - wird aber von Schott produziert )
Zerodur / Sital / Low Expansion ( Glaskeramikmaterial mit sehr günstigen Eigenschaften )

Diese Materialien unterscheiden sich primär in einer Eigenschaft, im Ausdehnungsverhalten bei Temperaturänderung. Float Glas dehnt sich z.B. relativ stark aus , bei Erwärmung , während Zerodur praktisch keinen erkennbaren Ausdehnungsfaktor hat. Dieses Verhalten übt einen Einfluß auf das Verhalten des Spiegels aus, wenn er einem Temperaturwechsel ausgesetzt wird.

Die Legenden, die sich um diese Eigenschaften ranken:

- Spiegel mit einfacheren Spiegelmaterialien haben eine schlechtere Optik!
Das ist Unsinn, denn der Träger selbst hat keinen Einfluß auf die reflektierende Fläche, die einzige Voraussetzung ist, daß der Träger selbst homogen ist und keine Verspannungen hat. Während der Auskühlphase kann aber die Abbildung geringfügig schlechter sein, auf den Grund kommen wir gleich zu sprechen.

- Spiegel mit günstigeren Ausdehnungswerten sind wesentlich schneller einsatzbereit, Spiegel mit Ausdehnungswert = Null sogar sofort!
Diese Werbeaussage ist, tolerant betrachtet, zumindest unvollständig. Jeder Spiegel ist sofort einsatzbereit aber eben nicht gleich für hohe Vergrößerungen. Selbst ein Spiegel mit Keramikmaterial, ohne Ausdehnung, ist nicht sofort einsatzbereit. Der Grund ist einfach:

Wenn ein Spiegel abkühlt, gibt er Wärme ab. Dieser Effekt ist zu Beginn des Auskühlprozesses wesentlich dominanter, als die Effekte durch den Ausdehnungswert selbst. Dieser Effekt sorgt für das Tubus - Seeing, ein Flimmern des Objektes durch Luftbewegung und auch durch Verzerrungen des Objektes durch Luftschichten mit unterschiedlicher Temperatur. Von diesem Effekt sind alle Spiegel betroffen. Man kann durch aktive Belüftung der Spiegelvorderseite und auch der Rückwand des Glasträgers dagegen ankämpfen.

Jeder Spiegel ist sofort einsatzbereit aber eben nur für niedrige Vergrößerungen. Erst mit fortschreitender Temperaturanpassung des ganzen Teleskopes kann auch die Vergrößerung erhöht werden.

- Ein Spiegel muß erst vollkommen der Temperatur angepasst sein, um damit beobachten zu können!
Auch diese Aussage ist eher ins Reich der Legenden zu geben. Nur der maximal mögiche Vergrößerungsbereich bleibt einem verschlossen, wenn der Spiegel noch nicht richtig ausgekühlt ist. Dieser Vergrößerungsbereich ist aber ohnehin nur an wenigen Nächten im Jahr zugänglich.

- Ein Spiegel mit weniger Ausdehnungswert (z.B. Pyrex) ist schneller ausgekühlt, als ein Spiegel mit höherer Ausdehnung (z.B. BK-7)
Diese platte Aussage ist falsch und das Ergebnis unvollständiger Information. Die Geschwindigkeit der Auskühlung ist durchaus bei den Spiegelträgern ähnlich. Wie schnell ein Spiegel einsatzbereit ist, hängt primär von folgenden Bedingungen ab:

- Wie dick ist der Spiegel - ein dicker Pyrex Spiegel wird länger brauchen, um eine optimale Abbildung zu bringen, wie ein dünner BK-7, weil der dicke Spiegel einfach länger die Wärme speichert und damit auch mehr Zeit braucht, um diese abzugeben.

- Wie gut ist der Spiegel belüftet - Je besser der Spiegel von Luft umströmt wird, desto schneller ist er auch ausgekühlt. Aktive Belüftung mit Ventilatoren hilft dabei erheblich.

Hart gesagt: Unter Extrembedingungen wird ein dünner, gut gelagerter und aktiv belüfteter Spiegel mit einem Träger aus Float Glas schneller eine brauchbare Abbildung liefern, als ein abgeschlossener dicker Pyrex Spiegel gleicher Öffnung. Das ist natürlich ein Extremvergleich, er soll aber verdeutlichen, wie wichtig die Spiegellagerung ist, daß sie oft wichtiger ist, als das Trägermaterial des Spiegels selbst.

Wie wirkt sich eigentlich der Ausdehnungswert auf die Abbildung aus?
Viele Anbieter erheben den Ausdehnungswert des Spiegelträgers und damit das Spiegelmaterial zu einer zentralen Produktaussage, lassen aber den Sternfreund im Unklaren, was eigentlich dieser Ausdehnungswert in der Praxis bewirkt. Das führt zu einer sogenannten Volksweisheit, die aber oft ohne Hintergrundwissen verbreitet wird. Das Motto: "Es ist so und damit basta!"

Nun, der Hintergrund ist einfach:
Der Spiegel ist unterschiedlich dick. Durch die Wölbung ist er am Rand dicker und in der Mitte dünner. Wenn ein Spiegel im Auskühlungsprozess ist, dann kühlen die einzelnen Partien mit unterschiedlicher Geschwindigkeit aus. Die dickeren Randregionen sind wärmer als die schneller ausgekühlten zentralen Regionen.

Der Effekt ist, daß die Kurve des Spiegels nicht mehr absolut korrekt ist. Die Lichtstrahlen vom Spiegelrand treffen sich in einer anderen Schärfeebene, wie die Strahlen des zentralen Bereiches. Diesen Effekt nennt man Sphärische Aberation.

Effekt in der Praxis
In der Praxis wird etwas mehr Licht in die Beugungsringe gebracht, die Auflösung und die Schärfeleistung des Spiegels wird ein wenig gedrückt. Das macht sich bei der sogenannten "Deep Sky Beobachtung" also der Beobachtung von Nebeln und Galaxien nicht bemerkbar. Bei Mond und Planeten sinkt die Schärfeleistung etwas ab.

Allerdings wird dieser Effekt am Anfang eindeutig durch andere thermische Effekte, wie dem Tubus Seeing, der Wärmeabgabe des Spiegels selbst, übertroffen. Erst wenn sich die Luft im Tubusinneren beruhigt hat, kommt der Ausdehnungswert zum Tragen aber dann ist auch dieser Wert schon so gering, daß man das Gerät durchaus im höheren Vergrößerungsbereich ausreizen kann.

Resumee:
Der Spiegelträger ist eine von vielen Eigenschaften des Hauptspiegels, der selbst nur ein Teil des Gesamtsystems ist. Das Material des Spiegelträgers hat vor allem eines zu sein, homogen.

Die thermischen Eigenschaften sind sicherlich erwähnenswert aber es ist grundfalsch, diese zum zentralen Bereich der Beschreibung eines Gesamtinstrumentes zu machen. Es wäre vergleichbar, als wenn man bei einem Auto die Dicke des Blechs an einer bestimmten Stelle zu einer zentralen Eigenschaft macht und daran versucht, die Qualität des gesamten Autos festzumachen.

Die Auswirkung in der Praxis wird vor allem zu Beginn der Auskühlung von anderen Effekten, die durch die Wärmeabgabe des Spiegels als Ganzes bedingt sind, deutlich übertroffen. Erst gegen Ende der Abkühlphase kommen die Effekte der Wärmeausdehnung des Spiegelträgers zum Tragen und diese betreffen nur den maximalen Vergrößerungsbereich.

Der Zeitraum der Auskühlung selbst ist vom Spiegelträger relativ unabhängig. Viel mehr, als der Spiegelträger selbst, beeinflusst die Belüftung des Spiegels den Zeitraum der Auskühlung und damit die Zeit, wie schnell ein Spiegel einsatzbereit ist.

Und nur darum geht es bei der ganzen Diskussion um den Spiegelträger - Um die Zeit, wie schnell ein Spiegel genutzt werden kann und nicht um die Qualität des Spiegel selbst.

Wolfi Ransburg
Teleskop-Service

Infos: info@teleskop-service.de

Zur Startseite - Astro Praxis
Zur Übersicht der Produkte von Teleskop-Service